Faschisten sind immer die anderen

comparative fascist studies on Italy and Germany

Tag: Politik und Gesellschaft

Kein Zugang ist „falsch“ (außer der faschistische)

Skeptisch gegenüber „großen“ politikwissenschaftlichen Theorien von einem generic fascism, für die das Ideologische konstituierend ist, bleiben viele, die soliden geschichtswissenschaftlichen Untersuchungen aller Aspekte der real existierenden Faschismen der Zwischenkriegszeit mehr Aussagekraft beimessen.

Hier bestätigt sich, wie gegensätzlich die Sichtweisen der Geschichts- und der Politikwissenschaft anmuten können (zusätzlich befruchtet von Anthropologen, Soziologen, Psychologen und anderen). Dabei sind sie nur unterschiedlich, durchaus miteinander zu versöhnen, und zwar Erkenntnisgewinn bringend für alle. In dieser Richtung ermutigen uns unter anderen Robert O.Paxton, Zeev Sternhell und Constantin Iordachi zu unserer vereinfachenden, vorläufigen Schlussfolgerung:

Wenn man schon über zwei unterschiedliche methodische Zugänge zum Faschismus verfügt, einen auf dem Weg über die faschistische Ideologie und einen anderen über die faschistische Wirklichkeit, dann kann man vielleicht aus der Not eine Tugend machen, z.B. indem man den Untersuchungsgegenstand zweiteilt in den einen, den ideologischen Faschismus, und den anderen, den real existierenden Faschismus. Möglicherweise entwickelt sich dann mehr konstruktiver Erkenntnisfortschritt, und vielleicht sogar wirklich ein -beschränkter- „neuer Konsens“ zwischen beiden Denkschulen und Disziplinen, der „generischen“ und der „historischen“.  

No final solution, not even to the fascist question

This blogger is now even more convinced then at the start of this half a year ago, that a text-only but trilingual weblog, offering insight and examples on a subject as intricate as comparative fascist studies by English speaking scholars, can be an innovative original and useful additional instrument to exercises in intercultural and multiperspectival history teaching and civic education.

This blog does not claim to cast a new light on this subject. It is about time to confirm this quite frankly, after more than a hundred posts on it. Together they form nothing more than an eclectic syncretic and synthetic collection of necessarily incomplete and imperfect flashlights on comparative Anglophone fascist studies for educational purposes.

There is of course, a very broad,  very general consensus to be registered

– on the „Italianity“ of the first fascism that came to power,

– on Nazism being the most murderous relative of it,

and on some features which all fascisms had in common, e.g.

– revolutionary ultranationalism,

– religion-like style symbolism and „believers“ activism,

– fervent anti-individualism and anti-Marxism,

– autocratic leadership and authoritarian centralist regimentation,

– „cathartic“ cult of brutal repression violence war and expansion,

– state-of-the-art propagandistic and psychological domination

etc.

But the author would not go much further, as far as Anglophone scholar’s consensus is concerned. Each time he met yet another fresh perspective opened by altogether two dozen Anglophone scholars, his natural reaction was: this one is at least as „essential“ as the one before. Almost all of them convinced him in their own way. But this blogger really can detect no real specific big consensus on the most intricate questions raised by extremely contested phenomena such as fascism.

If there is a conclusion he is drawing from compiling this collection, after the relevant reading and interviewing, it is this: not many really incompatible views, but no all-encompassing conclusion either, here and now. So, no „final solution“ of the „fascist question“.

Why all this wealth of lively pluralism in Anglophone fascist studies should seem deplorable to some, escapes the author’s attention. In his view, this is -and has to stay- an open-end debate. Incidentally, that is precisely the reason why he holds a blog to be a logical and original way to go about it, serving the above-mentioned horizon-widening cause.

Gedankenanstöße von E.H.Carr und Richard J. Evans

Hier eine Reihe von Zitaten von Historikern für Historiker und andere Interessierte, mit denen Sir Richard Evans 2001 in die Neuauflage von E.H. Carrs mehr als 50 Jahre alten Longseller What is History? und in dessen erstaunlich nachhaltige Aktualität und Brillanz eingeführt hat:

Objective history does not exist.

Man kann sagen: objektive Wahrheit existiert. Aber kein Historiker kann hoffen, mehr von ihr zu erhaschen als nur eine blasse Teil-Annäherung an sie

The specific function of the historian, qua historian, is not to judge but to explain.

Die besondere Aufgabe des Historikers als Historiker besteht nicht im Urteilen, sondern im Erklären.

balancing uneasy on the razor edge between the hazards of objective determinism and the bottomless pit of subjective relativity…

Zeitgenössische Geschichtsphilosophie ist mehr ein Fragesteller als ein Antwortgeber.

History is a process, and you cannot isolate a bit of process and study it on its own (…) everything is completely interconnected (…) The job of historians is to study whatever part of the the past they chose to examine in the context of both what came before and after it, and the interconnection between their subject and its wider context.

Geschichteist ein Prozess, in dem man nichts isoliert sehen kann; alles ist vollkommen verwoben. Die Aufgabe des Historikers besteht darin, diese Verflechtungen an seinem Gegenstand zu untersuchen und in ihren größeren Zusammenhang zu stellen.

The question might be decided differently at different times in the future by different sets of judges with different questions to ask and different ends to serve.

Die Frage kann von anderen, zu anderen Zeiten, mit anderen Zielen, anders gestellt und beantwortet werden.

While history never repeats itself, it presents certain regularities, and permitscertain generalizations, which can serve as a guide for future action.

Wenn Geschichte sich niemals wiederholt, so weist sie doch gewisse Regelmäßigkeiten auf, und erlaubt gewisse Verallgemeinerungen, die als Leitlinie für künftiges Handeln dienen können.

To insist on the inevitability of what had happened in the past…was to resign moral responsability for our own actions in the present.

Auf der Unvermeidlichkeit des Vergangenen beharren wäre gleichbedeutend mit der Aufgabe unserer moralischen Verantwortung für unser gegenwärtiges Handeln.

Certainly, historians will write better history if they are self-conscious about their political and intellectual starting point (…), recognizing nature and extent of one’s own prejudices.

Gewisswerden Historiker besser, wenn sie sich ihrer politischen und geistigen Ausgangspunktes bewusst sein, wenn sie sich der Natur und des Ausmaßes ihrer eigenen Vor-Urteile bewusst sind.

Eigene „Schlüsselwortwahl“ zum Gattungsbegriff Faschismus

Aus unterschiedlichen anglophonen Faschismusdefinitions- und Erklärungsversuchen nun stichwortartig einen relativ breiten Konsens über einige deutsch-italienische Gemeinsamkeiten herausdestillieren zu wollen, erscheint  fast unmöglich. Trotzdem fühlt sich der Unterfertigte bemüßigt, hier nun auch selbst eine persönliche Auswahl von Schlüsselworten (eine von vielen möglichen) offenzulegen, die er mit dem Begriff „Faschismus“ assoziiert. Dass auch er sich dieser Übung unterziehen wollte, rechtfertigt er einerseits unter seinem Hauptgesichtspunkt der politischen Bildung und andererseits unter dem Aspekt der persönlichen Transparenz. Hier also, aus der bescheidenen persönlichen Warte und Formulierung des Unterfertigten, die Stichworte, die er zum Zeitpunkt des Schreibens wählen würde, um gerade aus unserem historisch belasteten Grenzgebiet heraus zu Seitenblicken über die eigenen Provinzgrenzen hinaus anzuregen. Seitenblicke auf heutige und künftige Risiko- und Präventionspotentiale rund um den Faschismus als grenz- und epochenüberschreitendes Phänomen:

Mehrfachkrise als Entstehungsbedingung

(in den beiden „spätgeborenen“ und „weltkriegsverletzten“ Staaten Italien und Deutschland besonders virulent):

  • Identitäts- und Wertekrise

  • Parlamentarismuskrise

  • Weltwirtschaftskrise

Endkampfstimmung  als Weltanschauung

  • Umstürzlerischer Ultranationalismus

  • Heilserwartung an einen unanfechtbaren Führer

  • Anti-Pluralismus und Anti-Liberalismus

  • Anti-Egalitarismus und Anti-Marxismus

  • Mythos der homogenen Gemeinschaft (national, „rassisch“, kulturell)

  • Angst vor tödlicher Bedrohung des eigenen „Volkskörpers“ durch „Infizierung“

  • Glaube an einen schicksalhaften, sozialdarwinistischen „Endkampf“ der Völker ums Überleben:

  • Verherrlichung von Wehr- und Mannhaftigkeit, Gewaltanwendung, Expansion und Krieg

  • Glaube an kollektive Erneuerung und erlösende Wiedergeburt

Massenmobilisierung als Wunderwaffe

  • Führerprinzip: alles muss schnell und entschlossen von oben nach unten entschieden werden

  • Massenmobilisierung und Gleichschaltung mit modernsten Medien

  • (Para-)militärische Organisation

  • (Pseudo-)religiöse Stilelemente

  • „Gesundes“ „ohne Rücksicht auf Verluste“ gegen „Artfremdes“ bzw. „Entartetes“

  • Brutale Repression jeder Opposition oder Abweichung

  • Kriegerische Expansion und Imperialismusm

  • Fokussierung auf Feindbilder und Sündenböcke

Müsste das Destillat noch konzentrierter und auf noch weniger und nüchternere Worte reduziert sowiegereiht werden, so würde der Unterfertigte nach dem Studium englischsprachiger Faschismusforschung die Gemeinsamkeiten „unserer beiden Faschismen“ am ehesten an Hand der folgenden zehn Schlüsselbegriffe zu erläutern versuchen:

  1. Mehrfachkrise

  2. Umwälzung

  3. Volksgemeinschaft

  4. Führerglaube

  5. Massenmobilisierung

  6. Endkampfstimmung

  7. Exklusion

  8. Anti-Egalitarismus

  9. Expansion

  10. „Killerinstinkt“

Dies, wie angedeutet, nur als „handliches“, eigenes Beispiel für einige von vielen möglichen Ausgangspunkten für Diskussionen. Weiter möchte der Unterfertigte im Rahmen seiner „politischen Bildungs-Fragestellung“ vorerst nicht gehen. Zu zahlreich, zu vielschichtig, zu unterschiedlich, und gleichzeitig jeweils in Teilen zu überzeugend, erscheinen ihm die Thesen, Theorien und Definitionsversuche der vergleichenden „generischen“ Faschismusforschung in englischer Sprache, mit denen er in sieben Monaten konfrontiert wurde, um es zu wagen, ihnen weiter gehende eigene Thesen oder Theorien hinzuzufügen, etwa gar „aus einem Guss“ und von aller Welt zu teilen. So etwas kann es aus meiner bescheidenen Sicht zu einem derart komplexen Phänomen und Begriff wie Faschismus genausowenig geben wie zu Begriffen wie Totalitarismus, Nationalismus, Moderne oder „politische Religion“. Wenn der Unterfertigte aus der intensiven Beschäftigung mit seinem Untersuchungsgegenstand etwas gelernt hat, so dieses. 

Mann nimmt Faschisten ernst

Michael Mann von der University of California Los Angeles UCLA (er lehrt aber auch an der Queens University in Belfast in Nordirland) gilt als einer der führenden Soziologen der Gegenwart, eine zweibändiges Werk The Sources of Social Power als Referenztext zu den Quellen, Mechanismen und Netzwerken gesellschaftlicher Macht. Dem Faschismus hatte er eigentlich nur ein Kapitel in einem geplanten dritten Band zugedacht. Dann sind jedoch zwei weitere eigene Bücher daraus geworden. Das eine hat auch, aber nicht nur mit dem europäischen Faschismus, sondern mit „ethnischen Säuberungen“ auch andernorts zu tun und trägt den Titel: The dark Side of Democracy: Explaining Ethnic Cleansing (italienische Fassung: Il lato oscuro della democrazia. Alle radici della violenza etnica ed. Università Bocconi, I nuovi classici;

Das erste heißt einfach Fascists und analysiert soziologisch den Aufstieg derselben, zuerst in Italien, dann in Deutschland, auch in Österreich (Austrofaschisten auf der einen, Nazis auf der anderen Seite). Mann widmet dann auch der ungarischen, der rumänischen und der spanischen „Familie des Autoritarismus“, wie er diese nennt, eigene Kapitel. Er schließt mit einem Rückblick auf die Faschismen, die hinter uns liegen – und jene, die noch auf uns zukommen könnten.

Zuerst nennt Michael Mann

Sieben Gründe, warum Faschisten ernstzunehmen sind:

1. Der Faschismus ist -neben der Umweltbewegung- die einzige wichtige politische Doktrin, die die Moderne im 20.Jahrhundert hervorgebracht hat; von daher ist anzunehmen, dass irgendetwas Ähnliches -aber sicher unter einem anderem Namen- auch im 21.Jahrhundert eine wichtige Rolle spielen wird .

2. Der Nationalstaat prägt unsere Ära, mit all seinen Ideologien und Pathologien, aber meist in relativ milder Form. Der Faschismus ist die extremste, die paramilitärische Ausprägung der vorherrschenden, der nationalstaatlichen Ideologie unserer Epoche.

3. Die faschistische Ideologie muss in ihrem Innern ernst genommen werden, statt dass man sie einfach als verrückt, widersprüchlich oder vage abtut. (…) Das war eine Bewegung mit Idealen, die wesentliche Teile zweier Generationen überzeugte, sie könnte eine harmonischere soziale Ordnung zustandebringen.

4. Wir müssen die Frage ernstnehmen, was für eine Art Mensch vom Faschismus angezogen war. Ungebildete gab es bei den Faschisten und ihren Anhängern nicht mehr als anderswo. Überdurchschnittlich vertreten waren relativ gebildete junge Männer aus allen sozialen Schichten, für die die Nation und der Staat einen hohen Wert darstellten.

5. Wir müssen auch die faschistischen Bewegungen ernstnehmen: hierarchisch, aber kameradschaftlich, eröffneten sie ihren Anhängern neue Chancen: einerseits zu radikaler, aber durch die Gruppe „legitimierter“ Gewaltanwendung, andererseits zu opportunistischer Anpassung und rasanter Karriere.

6. Wir müssen „hartgesottene“ Faschisten auch in einem viel dunkleren Sinn ernstnehmen: als Leute, die anderen Schlimmes antun können. Diese Fähigkeit ist Teil des menschlichen Wesens. Die Selbsttäuschung faschistischer Täter gehört auch dazu. Faschismus verstehen heißt verstehen, wie Menschen mit anscheinend hohen Modernisierungsidealen dazu kamen, letztlich absolut Böses zu tun.

7. Wir müssen die Möglichkeit ernstnehmen, dass wieder Faschisten im Kommen sind. Einige der Voraussetzungen, die Faschismus hervorgebracht haben, sind gegeben. Ethnische und politische „Säuberung“ war einer der prägendsten „Beiträge“ Europas zur Moderne; und gewalttätiger Paramilitarismus war eine Spezialität unseres 20.Jahrhunderts.

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(Source: Michael Mann, Fascists, Cambridge University Press,2004, pp. 1-4)

Robert O.Paxton: the questions to ask today

Defining fascism functionally, together with distinguishing clearly among successive stages, also helps us answer the burning question of this moment: can fascism still exist today?

After ethnic cleansing in the Balkans, the rise of exclusionary nationalisms in postcommunist Eastern Europe, the „skinhead“ phenomenon in Britain, Germany, Scandinavia, and Italy, and the election of Mirko Tremaglia, a veteran of the Republic of Salò, as chairman of the Foreign Affairs Committee of the Italian Parliament during the Berlusconi government, it would be hard to answer „no“ to that question.

New functional equivalents of fascism would probably work best,…clad in the maimstream patriotic dress of their own place and time. An authentically popular fascism in the United States would be pious and anti-Black; in Western Europe, secular and antisemitic; or more probably, these days, anti-islamic; in Russia and Eastern Europe, religious, antisemitic and slavophile.

It is wiser to pay attention to the functions fulfilled by new movements of an analogous type, to the circumstances that could open a space to them, and to the potential conservative eltite allies ready to try to coopt them rather than look for echoes of the rhetoric, the programs, or the aesthetic preferences of the protofascists of the last fin de siècle.

The right questions to ask of today’s neo- or protofascisms are:

– Are they becoming rooted as parties that represent major interests and feelings and wield major influence on the political scene?

– Is the economic or constitutional system in a state of blockage apparently insoluble by existing authorities?

– Is a rapid political mobilization threatening to escape the control of traditional elites, to the point where they would be tempted to look for tough helpers in order to stay in charge?

– It is by answering those kinds of questions, grounded in a proper historical understanding of the processes at work in past fascisms, and not by checking the color of the shirts or seeking traces of the rhetoric of the national-syndicalist dissidents of the opening of the twentieth century, that we may be able to recognize our own day’s functional equivalents of fascism.

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(Source: Robert O. Paxton, The Five Stages of Fascism, The Journal of Modern History, Vol. 70, No. 1. (Mar., 1998), pp. 1-23, The University of Chicago Press: http://w3.salemstate.edu/~cmauriello/pdfEuropean/Paxton_Five%20Stages%20of%20Fascism.pdf = http://links.jstor.org/sici?sici=0022-2801%28199803%2970%3A1%3C1%3ATFSOF%3E2.0.CO%3B2-3)

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Disorder, Decline, Deadlock – the variables of success

According to the American historian and political scientist Robert O. Paxton, fascist success depends on certain relatively precise conditions: the weakness of a liberal state, whose inadequacies seems to condemn the nation to disorder, decline, or humiliation; and political deadlock.

Every fascist movement that has rooted itself successfully as a major political contender, thereby approaching power, has betrayed its initial antibourgeois and anticapitalist program.The processses to be examined later include the breakdown of democratic regimes and the success of fascist movements in assembling new, broad catch-all parties that attract a mass following across classes and hence seem attractive allies to conservatives looking for ways to perpetuate their shalen rule…Their political successes come at the cost of the first ideological programs. Demonstrating their contempt for doctrine, successfully rooted fascist parties do not annul or amend their early programs. They simply ignore them…The two apprentices learned …by trial and error. Their adaptations to the available space undermine any effort to portray historical fascism as the consistent expression of one coherent ideology.

Which characteristics distinguished Germany and Italy, where fascism took power, from countries such as France and Britain, where fascist movements were highly visible but remained marginal? We need to recall that fascism has never so far taken power by a coup d’etat, deploying the weight of its militants in the streets. Fascist power by coup is hardly conceivable in a modern state. Fascism cannot appeal to the street without risking a confrontation with future allies -the army and the police- without whom it will not be able to pursue its expansionist goals. Indeed, fascist coup attempts have commonly led to military dictatorship rather than to fascist power (as in Romania in December 1941). The only route to power available to fascists passes through cooperation with conservative elites.

IT:È questa, e non quella del golpe, la strada maestra per arrivare al potere, e per mantenerlo: la cooperazione dei fascisti con le elites conservatrici, che devono ambedue comportarsi da „poteri flessibili“ più che da „poteri forti“…

The most important variables, therefore, are the conservative elites‘ willingness to work with the fascists (along with a reciprocal flexibility) andthe depth of the crisis that induces them to cooperate.

Neither Hitler nor Mussolini took the helm by force, even if they used force earlier to destabilize the liberal regime and later to transform their governments into dictatorships. Each was invited to take office as head of government by a head of state in the legitimate exercise of his official functions, on the advice of his conservative counselors, under quite precise circumstances:

A deadlock of constitutional government (produced in part by the polarization that the fascists abetted); conservative leaders who felt threatened by the loss of their capacity to keep the population under control at a moment of massive popular mobilization; an advancing Left; and conservative leaders who refused to work with that Left and who felt unable to continue to govern against the Left without further reinforcement.

IT: Storicamente, i leader fascisti che arrivano al potere, sono condannati a governare in associazione con le stesse elites conservatrici che hanno loro aperto le porte. Ne consegue una lotta a quattro tra il leader, il suo partito (con le più diverse richieste dei militanti), gli apparati dello Stato e le elites tradizionali (chiese, forze armate, professionisti, imprenditori). Questa quadrupla tensione porta spesso ad uno stile di governo febbrile, diverso da quello dai regimi autoritari (dove il partito unico non c’è più, o conta poco) e dallo Stalinismo (dove le elites tradizionali non ci sono più). L‘autoritarismo preferisce una popolazione smobilitata, mentre il fascismo, superiore nel creare e manipolare entusiasmi, fa breccia nella classe operaia. Mentre i regimi autoritari accettano qualche limite al potere dello Stato e lasciano qualche spazio privato ai singoli ed a certe istituzioni e categorie, i regimi fascisti sono molto più severi (anche se in parte solo a parole).

The exercise of power involved the same elements in Mussolini’s Italy as in Nazi Germany. It is the balance between the party and traditional institutions that distinguishes one case from the other. In Italy, the traditional state wound up with primacy, largely because Mussolini feared his own most militant followers, the local ras and their squadristi. In Nazi Germany, the party came to dominate, especially after the war began.

Focus on processes and discrimination among stages -this article’s principal methodological proposals- casts a clarifying light on many specialized themes in the study of fascism.

Having picked fascism apart, have we escaped from the nominalism of the „bestiary“ only to fall into another nominalism of processes and stages? Where is the „fascist minimum“ in all this? Has generic fascism evaporated in this analysis? It is by a functional definition of fascism that we can escape from these quandaries.

Fascism is a system of political authority and social order intended to reinforce the unity, energy, and purity of communities in which liberal democracy stands accused of producing division and decline.

Its complex tensions (political revolution versus social restoration, order versus aggressive expansionism, mass enthusiasm versus civic submission) are hard to understand solely by reading its propaganda. One must observe it in daily operation, using all the social sciences and not only intellectual-cultural history, and, since it is not static one must understand it in motion, through its cycle of potential (though not inevitable) stages.

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(All quotes from: Robert O. Paxton, The Five Stages of Fascism, The Journal of Modern History, Vol. 70, No. 1. (Mar., 1998), pp. 1-23, The University of Chicago Press: http://w3.salemstate.edu/~cmauriello/pdfEuropean/Paxton_Five%20Stages%20of%20Fascism.pdf = http://links.jstor.org/sicisici=00222801%28199803%2970%3A1%3C1%3ATFSOF%3E2.0.CO%3B2-3)

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Sich in der Masse stark fühlen

Robert O.Paxton, emeritierter Professor der Columbia University in New York, zuvor in Berkeley (nach Studium in Oxford und Harvard), kennt sich wie wenige andere im Frankreich des Vichy-Regimes aus, das mit dem nationalsozialistischen Deutschland kollaboriert hat. Er hat aber auch 2004 ein vielbeachtetes Buch allgemeineren Inhalts geschrieben, The Anatomy of Fascism, das auch in einer deutschen Übersetzung erschienen ist (Die Anatomie des Faschismus, DVA, München 2006).

Die faschistische Ideologie äußert sich laut Paxton so unterschiedlich und so widersprüchlich, dass er versucht ist, sie rein funktionalistisch zu sehen:

Fascists propose anything that serves to attract a crowd, solidify a mass following, or reassure their elite acccomplices.

Faschisten böten das, was ihnen in ihrem wechselnden Umfeld gerade am geeignetsten erscheine, die Massen anzuziehen und bei der Stange zu halten – und den Beistand der Eliten zu sichern. Wenn man nur ihre Texte studiere, könne man ihre Taten nicht verstehen, denn diese stimmten mit jenen nicht nachhaltig überein. Demnach definiert Paxton Faschismus als eine Form politischen Verhaltens, die gefühlte kollektive Demütigungen und Verfallserscheinungen mit einem Kult der Kraft kompensiert und das Heil in der Gewaltanwendung sucht, in einer Massenpartei von militanten Nationalisten, im Abbau demokratischer Freiheiten, in innenpolitischen „Säuberungen“ und außenpolitischer Expansion ohne ethische oder rechtliche Einschränkungen, in einer begrenzten, aber wirkungsvollen Zusammenarbeit mit den traditionellen Eliten:

Fascism may be defined as a form of political behaviour marked by obsessive preoccupation with community decline, humiliation, or victim-hood and by compensatory cults of unity, energy and purity, in which a mass-based party of committed nationalist militants, working in uneasy but effective collaboration with traditional elites, abandons democratic liberties and pursues with redemptive violence and without ethical or legal restraints goals of internal cleansing and external expansion.

Faschismus definieren bedeutet für Paxton eine fünffache Herausforderung annehmen.

Wir fassen sie in Fragen:

– Auf welchen Zeitrahmen lässt man sich ein?

– Welche Abwandlungen rechnet man dazu?

– Wie lässt sich aus so viel Vielfalt etwas verallgemeinern?

– Inwieweit entspricht faschistische Praxis faschistischer Theorie?

– Ist ein so umstrittener und als Schimpfwort missbrauchter Begriff wissenschaftstauglich?

Paxton ist sowohl Historiker als auch Politikwissenschaftler. Wohl auch deshalb ist auch seine Sicht des Faschismus keiner der „Denkschulen“ zum Faschismus eindeutig zuzuordnen. Er findet aber klare Worte, z.B. zur marxistischen Interpretation des Faschismus, wie sie früher gängig war:

„Die Linke hat zwei Generationen gebraucht, bis sie verstanden hat, dass der Faschismus alles in allem eine authentische, massenhafte, volkstümliche Begeisterung ist, und nicht einfach nur die clevere populistische Manipulation von Emotionen durch reaktionäre Rechte oder krisengeschüttelte Kapitalisten.“

Aber auch neueren Zugängen zum Faschismus widerpricht Paxton deutlich. Manche überschätzten die Aussagekraft der äußeren Symbole des Faschimus. Was andere Forscher sehr ernst nehmen und durchaus mit Religion vergleichen, tut er als „Dekor“ ab. Die unterschiedlichen Varianten des Faschismus legitimieren sich eben nicht über eine schriftliche Überlieferung mit Anspruch auf universale Gültigkeit, über eine „heilige Schrift“, sondern über das, was sie als den authentischsten Ausdruck ihrer jeweils eigenen kollektiv-nationalen Identität hoch halten wollen, und das seien naturgemäß recht verschiedene Dinge. Von da her lässt sich für Paxton keine große allgemeingültige Faschismustheorie konstruieren.

Am meisten zu schaffen macht den Theoretikern des Faschismus dessen zweideutiges Verhältnis zwischen Doktrin und Aktion, so Paxton, die irrational irrlichternde Beziehung zwischen seinem Wort und seiner Tat. „Wir Intellektuelle“ neigten dazu, alle -ismen des 19.Jahrhunderts, also Konservatismus, Liberalismus, Sozialismus usw., von ihrer Doktrin her zu bewerten – und analog dazu auch den Faschismus als etwas anzusehen, das in sich schlüssig und universal gültig sein wolle. Aber der Faschismus sei kein vernunftbetontes philosophisches Gedankengebäude für Notabeln (und solche, die es werden wollen), sondern etwas anderes: eine politische Praxis, die auf die Politik der Massen des 20.Jahrhunderts zugeschnitten ist.

Fascism is a political practice appropriate to the mass politics of the twentieth century.

Die Sprache der Faschisten mag sich an den Sozialdarwinismus anlehnen, aber es geht ihnen nicht um die „Richtigkeit“ einer Theorie (die sie nie hatten). DAS „Faschistische Manifest“ hat es nie gegeben. Sie verachten Vernunft und „des Gedankens Blässe“, wandeln locker von einer intellektuellen Position zur nächsten und zur übernächsten. Anders als bei der traditionellen Rechten, wo die Vernunft dem Glauben unterworfen wird, fühlt man sich hier nur schicksalhaften Blutsbanden untertan, d.h. dem Recht des „blutsmäßig“ Stärkeren, und dieser Stärkere hat man selbst zu sein. Die einzige moralische Richtschnur der Faschisten ist diesseitig: „das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit“ ja, aber die jener Rasse, jener Nation, jener Volksgemeinschaft, die sich kühn und tüchtig und brutal durchsetzt gegen den Feind. Der Feind ist absolut unverzichtbar, muss aber nicht für alle Faschismen immer nur „der Jude“ sein.

Gefühl sei stärker als Gedanke und auch Glaube. Davon ausgehend, seien die Faschismen in der Mobilisierung der Massen anders, und stärker, als andere. Welche Gefühle?

Für Paxton haben alle Faschismen sieben mobilizing passions gemein, Leidenschaften mit stark motivierender und mobilisierender Wirkung. Dieser Zugang spricht uns an. Wir interpretieren ihn mit unseren eigenen Worten so:

1. Das Gefühl, dass die Gemeinschaft Vorrang hat vor allem anderen – und dass die Pflichten ihr gegenüber über allen Rechten stehen, die man hat, egal ob universell oder individuell.

2. Das Gefühl, dass die Gemeinschaft Opfer von inneren und äußeren Feinden ist – und dass dagegen alle Mittel erlaubt sind.

3. Die Angst vor dem Verfall der Gemeinschaft durch die „zersetzende“ Wirkung individualistischer und kosmopolitischer Liberaler.

4. Das Zusammenschweißen der Gemeinschaft zu einer Blutsbruderschaft, möglichst mit einheitlichen Überzeugungen, nötigenfalls mit gewalttätigen Säuberungen.

5. Die Stärke der Gemeinschaft stärkt das Zugehörigkeitsgefühl, die Identität und das Selbstbewußtsein der Einzelnen.

6. Überall in der Gesellschaft ist es allein die Autorität einer (männlichen) Führernatur, die das Schicksal der Gemeinschaft verkörpert.

7. Schön ist, was dem Endsieg der Gemeinschaft geweiht ist: man kultiviert eine Ästhetik des Säuberns und des Siegens, des reinen Willens, der nackten Gewalt.

Überall dort, wo Paxton nur Gruppe schreibt, haben wir hier den Begriff Gemeinschaft verwendet. Dies um die Überzeugungs- und Suggestivkraft solcher mobilizing passions hervorzuheben. Sie erscheinen uns als ein zentraler, und realistischer, Zugang zur Faschismusfrage: Wem es gelingt, solche Gefühle zu entfesseln, der/die kann in bestimmten historischen Situationen erwiesenermaßen Millionen BürgerInnen dazu bringen, sich auch jenseits von Gruppenzwängen ihrer Identität, Eigenverantwortung und Menschenwürde als Einzelne zumindest zum Teil freiwillig bis begeistert entledigen zu wollen, um sich im Heilsversprechen, in der Geschlossenheit und vermeintlichen Unschlagbarkeit einer „Volksgemeinschaft“ rund um einen Führerkult kollektiv besser aufgehoben zu fühlen.

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 (Quelle: Robert O. Paxton, The Five Stages of Fascism, The Journal of Modern History, Vol. 70, No. 1. (Mar., 1998), pp. 1-23, The University of Chicago Press: http://w3.salemstate.edu/~cmauriello/pdfEuropean/Paxton_Five%20Stages%20of%20Fascism.pdf= http://links.jstor.org/sici?sici=0022-2801%28199803%2970%3A1%3C1%3ATFSOF%3E2.0.CO%3B2-3)

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Verwandt in Mythos und Image II

Ian Kershaw erwähnt in seinem Buch über den Hitler-Mythos nebenbei die Vorreiterrolle Mussolinis für Deutschland, wo Hitler sich seit dem „Marsch auf Rom“ des „Duce“ analog zu diesem nicht mehr nur NSDAP-intern, sondern auch öffentlich „Führer“ nennen ließ (zuweilen auch „Mussolini der Deutschen“). Da wie dort: Führerprinzip- und Personenkult-Parolen wurden verinnerlicht in alltäglichen Parolen wie Il Duce ha sempre ragione („der Duce hat immer recht“) oder credere – obbedire – combattere („glauben -gehorchen – kämpfen“). Da wie dort: der politischer Erlöser als Religionssurrogat, und als Bindemittel für die Einheitspartei (da wie dort nie so richtig einig); zwecks -da wie dort- massenhafter Nationalisierung und Mobilisierung für den Sieg in der Völkerschlacht „um einen Platz an der Sonne“, einen Platz unter den (Kolonial-)Herrenvölkern.

Solches und anderes Gemeinsames zu suchen, und auch bei Kershaw zu finden, und zwar um besser differerenzieren zu können, das scheint für unsere Zwecke der politischen Bildung lehrreicher als ausschließlich das Einzigartige herauszuarbeiten, das jedem Untersuchungsobjekt erkennbar und unleugbar eigen ist.

Historiker wie Ian Kershaw pflegen gegenüber Vergleichen zwischen dem italienischen Faschismus und dem deutschen Nationalsozialismus nicht nur die gebotene Vorsicht, sondern eine gewisse Distanz an den Tag zu legen. Umso informativer könnte es sein, gerade aus den von Kershaw genannten Zusammenhängen den einen oder anderen Schnittpunkt der beiden Diktaturen zu extrapolieren.

Der deutsche und der italienische Diktator mögen persönlich sehr unterschiedlich gewesen sein; politisch waren sie einander verwandtschaftlich nahe, und zwar bis zu ihrem Tode (in ihrer Wirkung sogar darüber hinaus). Demnach sind sie nützlicherweise vergleichbar wie wenige andere. Davon wollen wir ausgehen – und weiter Ian Kershaw zitieren, gerade weil er nicht so oberflächlichen Vergleichen neigt.

Im Schlusskapitel des Buchs über den Hitler-Mythos kommt Ian Kershaw auf die im Untertitel bereits angesprochene Kluft zwischen Image und Realität zu sprechen. Die laut Kershaw folgenden sieben Grundlagen speziell des Hitler-Mythos scheinen uns zum guten Teil auch auf sein italienisches Vorbild Mussolini zuzutreffen:

Seven significant bases of the ‚Hitler myth‘:

In each case the contrast between image and reality is stark, the ‚mythical‘ content unmistakable.

* Firstly, (he) was regarded as the personification of the nation and the unity of the ’national community‘ (…), the selfless exponent of the national interest;

* Secondly, as the single-handed architect and creator of (…) ‚economic miracle‘ (…), eliminating (…) mass unemployment, revitalizing the economy, providing improved living standards (…);

* Thirdly, as (…) the voice of the ‚healthy sentiment of the people‘, (…) the embodiment of strong, if necessary ruthless, action against the ‚enemies of the people‘ to enforce ‚law and order‘ ;

* Fourthly, as personally sincere, and in matters affecting established traditions and institutions as a ‚moderate‘, but largely kept in the dark about what was actually going on;

* Fifthly, in the arena of foreign affairs, (he) was regarded as (…) a rebuilder of the nation’s strength, a statesman of genius, and for the most part (…) not as a racial imperialist warmonger(…)

* Sixthly, in the first half of the war (he) appeared to be the incomparable military leader who, (…) knew and understood the ‚psychology‘ of the ordinary soldier.

* Finally, there was (his) image as the bulwark against the nation’s perceived powerful ideological enemies -Marxism/Bolshevism and (…) the Jews.

Das meiste, was Kershaw hier als spezielle Grundlagen des Hitler-Mythos bezeichnet, kann man aus unserer Sicht auch zu den Grundlagen des Mussolini-Mythos zählen – mit Abstrichen beim vorletzten und vor allem beim letzten Punkt. Mutatis mutandis, das Proviso gilt für alle Vergleiche:

Niemand wird behaupten wollen, die italienische und die deutsche Geschichte und die handelnden Personen deckten sich. Aber dass in jenen Jahrzehnten ähnliche „Verhaltensauffälligkeiten“ aufwiesen, steht für fast alle englischsprachigen Kenner beider Faschismen außer Streit.

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(Source: Ian Kershaw: The ‚Hitler Myth‘. Image and reality in the Third Reich, Oxford University Press, 1987, reissued 2001, Introduction pp.1-10, Conclusion 253-269)

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Verwandt in Mythos und Image

Mit dem Mussolini-Mythos kann man den Hitler-Mythos gewiss nicht erklären. Sir Ian Kershaws Buch über letzteren aus dem Jahre 1987 ist davon auch weit entfernt. Aber italo-deutsche und damit europäische Zusammenhänge sehen, das kann man. Dabei hilft auch einer wie Kershaw weiter, der nicht als hauptberuflicher Komparatist abgestempelt ist, sondern als Hitler-Experte Nummer Eins:

The readiness to place all hope in ‚leadership‘, in the authority of a ’strong man‘, has in itself of course not been peculiar to Germany. Promotion by threatened elites and acceptance by anxious masses of strong authoritarian leadership, often personalized in one ‚charismatic‘ figure, has been (and still is) experienced by many societies in which a weak pluralist system is incapable of resolving deep political and ideological rifts and is perceived to be in terminal crisis. Given the intensity of the crises of parliamentary systems in numerous European states in the inter-war era, and in a climate where the Great War still cast its long shadow, populist and militarist leadership cults sprang up throughout Europe as part of Fascist and quasi-fascist counter-revolutionary movements, most prominently outside Germany of course, in the ‚Duce cult‘ of Fascist Italy.

Unter den Punkten, die Ian Kershaw einer spezifisch deutschen politischen Kultur bereits des 19.Jahrhunderts zuordnet, befindet sich allerdings manches, was wir mutatis mutandis nicht nur für Deutschland, sondern auch für Italien, die andere große „Spätgeburt“ unter den großen Nationalstaaten, gelten lassen: eine ähnliche Schwäche für heroische Führung und nationale Größe:

Heldentum, Kraft, Vitalität, Kühnheit, Hoffnung, Sieg und Wiedergeburt der nationalstaatlichen Idee – viele Jahrzehnte bevor letztere verwirklicht wurde, ging nicht nur die deutsche, sondern mehr noch die italienische Kultur schwer schwanger mit solcher Sehnsucht und Symbolik: ein Kult der „heroisch“ zu erkämpfenden bzw. zu verteidigenden nationalen Einheit nach innen und Expansion nach außen.

One outward manifestation was the erection in the later nineteenth century of gigantic national monuments – on a scale and a character not found, for example, in the British political culture of the time- granite glorifications of mythical heroes, great victories, and national triumph. Militarism, heroism, and national unity, garbed in religious symbolism, were also the keynotes of the newly-instituted national feast day (…)

Image and reality lautet der Untertitel dieses Kershaw-Buches. Beide Faschismen verdanken schon ihren Aufstieg (das Weitere ohnehin) tiefen Klüften zwischen Darstellung und Wirklichkeit, zwischen Verheißung und Enttäuschung.

The growing appeal already before the First World War of ‚heroic‘ leadership notions in populist-nationalist circles of the German Right -and there are parallels, if somewhat weaker in intensity, in pre-Fascist Italy, which helped to prepare the ground for the later emergence of the cult of the Duce- was largely shaped by the increasing gulf between the perceived need for national integration and unity and the patent lack of integration which prevailed in reality.(…)

This gulf was itself enhanced and accentuated by three interlinked factors:

* the social and political disruption accompanying a practically simultaneous transition to nation-state…,constitutional government…, and industrial society;

* the deep fragmentation of the political system (reflecting fundamental social cleavages)…;

* the spread of a chauvinistic-imperialist ideology clamouring for a rightful ‚place in the sun‘… for…a supposed ‚have-not‘ nation“ .

Daraus könnte man mit Kershaw, gleichermaßen mit Blick auf den italienischen Faschismus und den deutschen Nationalsozialismus, aber auch auf das 21.Jahrhundert verallgemeinernd vermuten: Je tiefer die Kluft zwischen den Schichten einer Gesellschaft, je tiefer die Kluft zwischen Erwartungen und Enttäuschungen, desto schwächer die Legitimität eines politisches Systems, desto stärker das Potential für ‚charismatic‘ or ‚heroic‘ leadership, seeming to offer a fundamental break with the past and a new and great future.

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(Source: Ian Kershaw: The ‚Hitler Myth‘. Image and Reality in the Third Reich, Oxford University Press, 1987, reissued 2001, Introduction pp.1-10)  

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